Dieser kurze Artikel ist interessant für LeserInnen, die sich überlegen, einen ileoanalen Pouch anlegen zu lassen und natürlich auch für andere Betroffene mit ileoanalem Pouch.
Ich berichte hier, wie ich zu der Entscheidung kam, was der Pouch für mich persönlich brachte und wie ich heute darüber denke.
Wie ich zu der Entscheidung kam
Ich habe mich 2010 dazu entschlossen, lieber mit einem Pouch zu leben als eine ständig wiederkehrende Bewohnerin des Krankenhauses zu sein. Die Colitis ulcerosa war therapierefraktär und ohne Unterlass aktiv. Mir ging es mies und ich lebte in ständiger Angst vor dem nächsten schlimmen Schub, dem nächsten zermürbenden Krankenhausaufenthalt. Die Entscheidung für eine OP mit einer kompletten Entfernung des Dickdarms war für mich damals die einzig richtige.
Heute, mit dem Wissen das ich jetzt habe, würde ich das nicht mehr machen und ich würde es auch jeder selbst betroffenen Person empfehlen, sich deutlich weitreichender zu informieren als durch Ärzte, Apothekenzeitungen etc. und schulmedizinisch orientierte Selbsthilfeverbände.
Vor der Operation hatte ich übrigens noch nicht einmal gehört, dass es in meiner Stadt einen „Pouch-Gesprächskreis“ gibt, eine Veranstaltung, die ehrenamtlich von Mitgliedern der DCCV. e.V. organisiert wird.
Es wäre sicherlich hilfreich gewesen, sich vorher einmal mit anderen auszutauschen. Aber eigentlich bezweifle ich, dass mich damals irgendjemand von meiner OP-Entscheidung hätte abbringen können. Ich war wie vernagelt gegen sogenannte „alternative Methoden“, weil ich vollkommen verzweifelt und ehrlich gesagt auch von der Heftigkeit meines Krankheitsverlaufs verängstigt war.
Die Kraft, irgendwelche Lebensstilveränderungen durchzuziehen, hätte ich in diesem Zustand vielleicht ohnehin nicht gehabt. Und das Geld, irgendwelche Heilpraktiker zu konsultieren, hätte ich als Studentin definitiv nicht gehabt (da ist sie, die Grundproblematik unseres Gesundheitssystems, in kristallklarer Form!).
Für mich war damals also die einzig relevante Meinung die der behandelnden Ärzte. Ich hatte ein sehr gutes, vertrauensvolles Verhältnis zu den Fachärzten und kannte auch fast alle in diesem Krankenhaus, da ich mich nach vielen Aufenthalten dort heimisch und gut aufgehoben fühlte.
Da hier niemand davon auszugehen schien, dass es mir ohne diese Operation künftig besser ergehen würde, war die Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt „alternativlos“, denn ich wollte nicht mehr so leben.
Cut!
Was hat der Pouch mit sich gebracht?
Fakt Nr. 1: Mein Leben mit dem Pouch war unter dem Strich besser als das Leben mit dem chronisch entzündeten Dickdarm. Klar, kein Dickdarm, keine Colitis ulcerosa. So hatte es der Chirurg mit einem schelmischen Zwinkern gesagt. Wie clever, nicht wahr? Wir nehmen das problematische Ding einfach heraus, dann kann es sich nicht mehr entzünden. Methode „Holzhammer“. Gewirkt hat´s.
Fakt Nr. 2.: Mein Leben mit dem Pouch war in den ersten 8 Jahren eine ziemliche Herausforderung.
Ich hatte alle paar Monate eine Pouchitis, gegen die (scheinbar) nur Antibiotika zuverlässig wirkten (heute weiß ich, warum). Ich hatte in den Phasen dazwischen viele verschiedene regelmäßig vorkommende Nebenprobleme wie z.B. krampfartige Bauchschmerzen/Blähungen, große Müdigkeit, Muskelkrämpfe und häufig Infekte.
Ich funktionierte. Richtig gut ging es mir allerdings nie und ich schleppte mich oft wochenlang mit einer leichten Pouchitis herum, um am Ende doch zum Gastroenterologen zu gehen und mir wieder ein Antibiotikum oder Cortisonschaum verschreiben zu lassen.
Fakt Nr. 3: Das Leben mit dem Pouch ist nach meiner Gesundheitswende deutlich besser geworden als das ganze Leben davor.
Es geht mir nicht nur besser als zu Krankheitszeiten, sondern auch deutlich besser als vor Ausbruch der Krankheit, als ich noch einen Dickdarm hatte und scheinbar „alles in Ordnung“ war. Und nein, das liegt nicht an meinem tollen Pouch, was die 8 „Leidens“-Jahre zuvor bewiesen haben.
Was denke ich heute darüber?
Mein persönliches Fazit: Traurig aber wahr, ich habe damals die falsche Entscheidung getroffen. Ich habe den falschen Personen mein Vertrauen geschenkt. Ich hätte vermutlich gar nicht kolektomiert werden müssen. Ich hätte so viele andere Möglichkeiten gehabt, die mir damals einfach noch nicht bekannt waren. AIP, Paleo, Wahls-Protokoll, Milchfrei, Glutenfrei, Zuckerfrei, antientzündliche Ernährung, nichts davon habe ich ausprobiert, weil ich es nicht kannte!
Weil keiner in meinem Bekanntenkreis war, der wusste, dass es diese Lösungsansätze gibt, bzw. dass sie tatsächlich erfolgversprechend sind.
Hätte, hätte, Fahrradkette. Ich schaue lieber in die Zukunft.
Welche Zukunft, fragst du? Der Drops ist doch gelutscht!
Für mich ja, aber für dich vielleicht noch nicht.
Wenn du mit dem Gedanken spielst, dir den Dickdarm entfernen zu lassen, komm gerne in einer persönlichen Nachricht damit auf mich zu. Ich nehme mir Zeit für dich und beantworte alle deine praktischen Fragen, die du sicherlich hast.
Ärzte können und sollen natürlich keine Garantien geben und antworten auf Fragen gern mit statistischen Angaben. Sie sind ja auch selbst nicht betroffen, sodass sie da ohnehin die falschen Ansprechpartner für praktische Fragen sind.
„Ist es unangenehm oder schwierig, wenn man damit Stuhlgang hat?“ „Wie geht man am Anfang mit diesem protektiven Ileostoma durch die Gegend?“ „Wie häufig habe ich Stuhlgang?“ „Muss man dann mein Leben lang auf alle möglichen Nahrungsmittel verzichten?“ „Was kann ich sagen, wenn Leute wissen wollen, was mit mir nicht stimmt?“ „Wie sieht mein Bauch nach der OP aus?“ „Wie fühlt sich eine Pouchitis an?“ „Sucht sich mein Körper dann nicht ein anderes Ventil?“ Dies sind alles sehr private, individuelle Fragen, die ich hier, in diesem öffentlichen Rahmen, nicht besprechen möchte. Ich kann dir aber gerne im persönlichen Kontakt alles mitteilen, was dich interessiert (und ich kann dir da schon einmal die ein oder andere Überraschung ankündigen)!
Denn für dich und genau deswegen führe ich diesen Blog! 🙂
Bildquellen
- Pouch_bunt: Margherita Minuzzi